DEN GESAMTEN BILDUNGSVERLAUF IN DEN BLICK NEHMEN
Sehr geehrte Präsidentin,
wir sind uns hier aller Wahrscheinlichkeit nach einig, dass die Ergebnisse der IQB-Bildungsstudie alles andere als zufriedenstellend sind. In allen Bundesländern und auch im Bund gibt es gerade eine Debatte über die Ergebnisse der Studie. Und es ist richtig, darüber zu sprechen. Es ist richtig, eine Diskussion darüber zu führen, wie eine Verschlechterung der Ergebnisse aufgearbeitet werden kann. Nun könnte sich die Landesregierung es einfach machen und feststellen, dass der Erhebungszeitraum mitten in der Pandemie lag und gut. Corona ist schuld.
Corona hatte maßgeblichen Einfluss auf die Ergebnisse der Leistungen von Grundschüler*innen. Das ist, denke ich, unumstritten. Wer aber nur Corona als einzige Erklärung in den Blickt nimmt, macht es sich in meinen Augen zu einfach. Und da bin ich sehr dankbar, dass sich das Ministerium nicht nur Corona anschaut, sondern eben auch andere Aspekte von Beginn an mit in die Analyse nimmt.
Das Bildungsministerium in Schleswig-Holstein hat sich gegen einen Abbruch der Erhebung für den IQB-Bildungstrend ausgesprochen, weil - und das hat die Ministerin hier auch ausgeführt - nur mit einer starken Wissenschaftsorientierung klar werden kann, welche Maßnahmen hilfreich sind und welche nicht. Es wird also noch weitere wissenschaftliche Analysen brauchen, um mehr Klarheit über die richtigen Maßnahmen zu gewinnen.
Klar ist schon jetzt, dass wir die Schüler*innen in den Basiskompetenzen, beim Lesen, Schreiben und Rechnen, stärken müssen. Dafür brauchen wir eine Gesamtstrategie, die alle Phasen des Bildungsverlaufs in den Blick nimmt. Außerdem soll auch die Unterstützung der Lehrkräftebildung in der Strategie Berücksichtigung finden und dabei - und das ist uns Grünen besonders wichtig - die inklusive Beschulung besonderen Fokus erfahren.
Gerade beim Thema Inklusion dürfen die Ergebnisse nicht missinterpretiert werden. Ja, wir haben eine immer heterogenere Schüler*innenschaft. Die Herausforderungen zur Binnendifferenzierung und zu vielen weiteren Themen belasten Lehrkräfte, aber es ist eben nicht der Inklusionsgedanke, welcher für den Kompetenzabfall an Grundschulen verantwortlich ist. Weder in Schleswig-Holstein noch deutschlandweit ist eine erhebliche Ausweitung inklusiver Beschulung zu beobachten. Es ist laut Wissenschaftler*innen auch nicht zu beobachten, dass Inklusion negative Auswirkungen auf die Lernentwicklung von Kindern ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung hat. Studien stellen eher das Gegenteil fest. Von daher setzen wir Grüne uns für eine verbesserte Inklusion ein.
Meine Damen und Herren,
uns ist es wichtig, dass die Landesregierung in ihrer Gesamtstrategie auch die qualitative Verbesserung multiprofessionellen Arbeitens in den Blick nimmt. Diese sind elementarer Bestandteil schulischen Lebens, die eine wirklich inklusive Schule erst möglich machen.
Und etwas ist uns Grünen noch wichtig und das ist eine klare Wissenschaftsorientierung. Dafür brauchen wir für unsere Schulen auch ein Konzept zur Nutzung von Daten, um Schulentwicklung und Unterrichtsentwicklung auf einen fundierten Boden setzen zu können.
Wir bitten die Landesregierung, diese Gesamtstrategie anzugehen. Dafür braucht es auch ein Konzept zur Überprüfung der Umsetzung der Maßnahmen. Wir müssen wissen, zu welchem Grad die Ziele erreicht wurden.
Meine Damen und Herren,
Corona hat in unserer Bildungslandschaft Spuren hinterlassen. In diesem Parlament wurde in der letzten Legislaturperiode immer wieder über die Auswirkungen der Schulschließungen für die Schüler*innen gesprochen. Diese Auswirkungen sehen wir nun in Zahlen und Fakten. Diese Zahlen und Fakten sollte die Landesregierung als Ansporn nehmen, um Verbesserungen einzuführen. Ich bin optimistisch, dass dies gelingen wird, mit den Maßnahmen, die wir in diesem Antrag benannt haben.
Zum Bericht über die Unterrichtssituation haben meine Vorredner*innen schon einiges gesagt. Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht. Es ist gut, dass wir in Schleswig-Holstein erneut eine vergleichsweise hohe Anzahl an Unterrichtsabdeckung erreichen konnten.
Der Bericht macht aber auch deutlich, was uns an vielen Orten und an vielen Schulen begegnet, insbesondere auch in Dithmarschen und Steinburg, also den Regionen, für die ich bei uns in der Fraktion zuständig bin: Wir brauchen mehr Lehrkräfte. Ich bin froh, dass dies ganz oben auf der Prioritätenliste unserer Koalition steht. Maßnahmen, die uns unter anderem die Allianz für Lehrkräftebildung aufzeigen wird, werden also dringend benötigt.
Es wird wahrscheinlich auch darauf hinauslaufen, dass wir mehr Lehrkräfte ausbilden müssen. Bis diese zusätzlichen Lehrkräfte an den Schulen ankommen, dauert es aber noch ein paar Abschlussjahrgänge. Bis dahin brauchen wir weiterhin verschiedene Wege in den Lehrer*innenberuf. Es ist also positiv zu bewerten, dass wir den Quer- und Seiteneinstieg und auch den Direkteinstieg weiter geöffnet haben. Darüber gewinnen wir viele gute Lehrkräfte.
Trotz aller Bemühungen, die Anzahl der befristeten Verträge so gering wie möglich zu halten, braucht es Vertretungskräfte, zum Beispiel aufgrund von Mutterschutz, Elternzeit oder Sabbatjahr. Weil die Themen Unterrichtsversorgung und befristete Verträge ganz eng zusammenhängen, hätten wir an dieser Stelle auch gut über den Antrag der FDP sprechen können, aber dazu kommen wir später noch.
Positiv möchte ich noch das Programm „Aufholen nach Corona“ erwähnen, welches personell Früchte getragen hat. Es konnten bis zu 300 Lehrkräfte für das Programm gewonnen und somit Schüler*innen ermöglicht werden, die pandemiebedingten Nachteile zumindest teilweise aufzuholen.
Positiv ist auch weiterhin das Schuldashboard, welches tagesaktuell die Anzahl an positiven Fällen zeigt. Dies ist sehr hilfreich, um faktenbasiert die Situation an Schulen zu beurteilen. Wir sind in Schleswig-Holstein gut durch die Pandemie gekommen. Dazu haben auch die hohe Impfbereitschaft und die guten Impfangebote an Schulen beigetragen, als auch die frühe Maskenpflicht und die guten Hygienekonzepte der Schulen.
Auch beim Thema Digitalisierung kommt das Land voran. Es gibt mehr Schulen mit Wlan, Lehrkräfte haben inzwischen Endgeräte zur Verfügung und es werden fast überall Lernmanagementplattformen angeboten. Aber auch über die schulische Digitalisierung reden wir später noch.
Meine Damen und Herren, im vergangenen Schuljahr ist die Inklusionsquote um 0,5 Prozent zurückgegangen. Das betrachten wir, liebe SPD, nicht als Erfolg. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein Rückgang um einen halben Prozentpunkt im Rahmen der statistischen Unschärfe liegen wird, also statistisch gesehen zufällig sein kann. Außerdem wissen wir alle, dass die Entscheidung, ob ein Kind inklusiv beschult wird, vom Elternwillen abhängig ist. Da gibt es also immer wieder Schwankungen. Mein Fazit: Keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber genau beobachten, wie sich die Inklusionsquote entwickelt.
In dieser verbundenen Debatte geht unser Antrag, ein Rahmenkonzept zur Etablierung von Campus-Klassen zu erarbeiten, leider etwas unter. Die Campusklasse eines Förderzentrums ist an eine allgemeine Schule räumlich angegliedert. Es gibt Kooperationen mit Regelklassen, gemeinsamen Unterricht in einigen Fächern oder bei bestimmten Projekten. Damit haben die Eltern die Personalausstattung der Förderzentren und gleichzeitig Verbindungen zu Schüler*innen aus der allgemeinen Schule.
Wir haben an einzelnen Schulen im Land bereits Campus-Klassen, in denen Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung an allgemeinbildenden Schulen beschult werden. Das sind deshalb so wichtige Projekte, weil die Inklusionsquote bei diesem Förderschwerpunkt bisher vergleichsweise niedrig war. Um diesen Pilotprojekten Rechtssicherheit zu geben, bitten wir die Landesregierung, ein Rahmenkonzept zu erstellen. Gleichzeitig wollen wir damit weitere Schule dazu motivieren, Campus-Klassen einzurichten, um mehr Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt die Teilhabe an einem einbeziehenden Bildungssystem zu ermöglichen.
Was diese Debatte zeigt, ist, dass wir große Herausforderungen im Bildungsbereich haben. Diese wollen wir anpacken und der Landesregierung zum einen für viele Erfolge danken und zum anderen dazu auffordern, sich stetig weiter zu bemühen, die Bildung in Schleswig-Holstein weiterzuentwickeln.
Vielen Dank!