Wir müssen um jede Lehrkraft werben
Sehr geehrte Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,
ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Wir wissen nicht mehr weiter. Uns fehlen jetzt mehrere Planstellen, unsere Schulleitung ist nur noch halb besetzt. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr Lehrkräfte hier in Steinburg, in Dithmarschen, im ländlichen Raum an unseren Grund- oder Gemeinschaftsschulen.
Das sind übliche Mails, die ich als Bildungspolitiker bekomme und als jemand, der aus dem ländlichen Raum kommt. Und ja, mir tun diese Aussagen weh. Sie tun mir weh, weil ich den Frust und die Probleme vor Ort gut nachvollziehen kann.
Es ist ein Ärgernis, wenn ich als Lehrkraft unzählige Vertretungsstunde machen muss. Es ist ein Ärgernis für die Schüler*innen, nicht den Unterricht genießen können, den sie verdient haben. Und ja, das hat auch viel mit Bildungsungerechtigkeit zu tun, wenn ländliche Räume einen Nachteil bei der Versorgung mit Lehrkräften haben.
Die Lösung dieser Probleme ist jedoch nicht einfach und sie braucht vor allem eines: nämlich Zeit. Zeit haben wir aber an vielen Schulen nicht mehr, weil die Probleme schon längst angekommen sind. Mich ärgert also, dass nicht schon vor Jahren diese Probleme stärker präventiv in Angriff genommen wurden.
Und da meine ich jetzt nicht 2017. Schon vorher konnten wir den Fachkräftemangel antizipieren. Ich weiß, dass die Grünen die Konstante sind, in allen drei Regierungen der letzten Jahre vertreten waren und ich sage das auch ganz selbstkritisch. Alle Parteien hätten diesem Thema mehr Raum bieten müssen. Punkt!
Trotzdem gab es in den letzten Jahren einige Maßnahmen, die Abmilderung schaffen. Die erhöhte Besoldung für das Grundschullehramt. Die Allianz für Lehrkräftebildung. Das können nur erste Schritte sein. Weitere Maßnahmen für die Fachkräftegewinnung und -sicherung sind dringend notwendig. Nur so können wir qualitativ hochwertigen Unterricht sicherstellen. Nur so können wir Schulabbrüchen entgegenwirken. Nur so können wir erheblich mehr Bildungsgerechtigkeit im Schulsystem erlangen.
Ich denke, wir sind uns alle bewusst, dass hier mehr passieren muss. Fachkräfte können nicht gebacken werden. Daher brauchen wir einen Handlungsplan der effektive und effiziente Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung umfasst. Wir brauchen einen Handlungsplan, der schnell, gezielt und ganzheitlich ist und verschiedene Aspekte miteinander verbindet.
Für uns Grüne ist dabei besonders wichtig: dass Maßnahmen zur Erhöhung des Studienerfolgs im Lehramtsstudium erarbeitet werden. Für mich gehört dazu auch die Frage, ob wir nicht zu viele Studierende für die SEK I mit hochabstraktem Mathestoff abschrecken; dass wir einen leichteren Lehramtswechsel, insbesondere von Gymnasien zu Gemeinschafts- und Grundschulen, ermöglichen; dass wir Personengruppen qualifizieren, die derzeit an Schulen ohne Lehramtsausbildung arbeiten.
Im ZDF heute journal in der letzten Woche erzählt eine Studentin, dass man ihr in einer Vorlesung von dem Beruf abgeraten habe, da er mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum Burnout führe. Traurig, aber wahr. Diese Wahrscheinlichkeit muss gesenkt und die Lehrkräfte für den Erhalt ihrer psychischen Gesundheit in ihrer Resilienz gestärkt werden. Studierende dürfen nicht dermaßen abgeschreckt werden. Mentale Gesundheit ist hier das Stichwort. Sensibilisierung von Führungskräften, Supervision und Coaching sind nur einige Punkte, die hier wichtig sind.
Wir müssen außerdem Lehrkräfte stärker von Organisations- und Verwaltungsaufgaben entlasten. Hier erhoffe ich mir wertvolle Ergebnisse von der Erprobung der Verwaltungsleitungen. Die Ergebnisse müssen dann auch schnell in konkrete Entlastungen überführt werden.
Schüler*innen müssen noch stärker informiert und motiviert werden, damit sie sich für den Lehrer*innenberuf entscheiden, sonst können wir uns die Kapazitätserhöhungen an den Universitäten sparen. Außerdem müssen sie auch dahingehend beraten werden, sich nicht vorwiegend für ein Lehramt an Gymnasien, sondern auch für ein Lehramt an Gemeinschaftsschulen zu entscheiden. Ich appelliere da eindringlich, dass hier mehr passiert.
Es ist so einfach, aber ich glaube, wir müssen um jede Lehrkraft werben und da ist das Bildungsministerium auch kommunikativ in einer besonderen Rolle. Ich sage das aus eigener Erfahrung. Ich habe mich nicht immer abgeholt gefühlt von der Verwaltung und ich glaube, dass wir uns das so nicht mehr leisten können.
Ich möchte noch einen Satz vom Wechsel auf G9/G8 und wieder zurück verlieren. Ich glaube, es war richtig, dass wir zurück zu G9 gehen, und diejenigen, die sich dafür eingesetzt haben, hatten das richtige Gespür. Aber dieses Hin- und Her hat auch viel Vertrauen und auch viel Geld gekostet. Dieses Geld hätten wir dringend für andere Dinge gebrauchen können.
Zum FDP-Antrag bezüglich der Besoldung. Deutschland ist an der Spitze bei der Besoldung von Lehrkräften. Die FDP erklärt nicht, wie sie eine Leistungsbesoldung finanzieren will, sie erklärt nicht, wie sie die Leistung überprüfen will, sie erklärt nicht, wie die Gewichtung der Leistungskriterien erfolgen soll. Sie produzieren mit ihrem Antrag mehr Fragen als Lösungen.
Besuchen Sie mal eine Schule und reden Sie mit den Lehrkräften. Die erzählen Ihnen was über Entlastung und nicht über Leistungsprämien. Herr Vogt, zu Ihrem Antrag kann ich nur fassungslos feststellen: setzen, Sechs.
Vielen Dank!